Zukunftsforscher Dr. Stefan Carsten: Wie geht Stadt in der Zukunft?
Dr. Stefan Carsten lebt in Berlin, einer Stadt, die eher auf den hinteren Plätzen rangiert, wenn es um zukunftsfähige Städte und Lebensräume geht. Stefan Carsten ist der nette Typ von nebenan, verheiratet, zwei Kinder. Er ist einer dieser coolen Mid-Age Männer, bei denen es gerade egal ist, wie alt sie „wirklich“ sind. Ihn treibt die Frage nach dem Leben in der Stadt der Zukunft an. Seine Berufung ist die des Zukunftsforschers. Unter anderem arbeitet er mit dem Zukunftsinstitut zusammen, sein Steckenpferd ist die Stadt der Zukunft.
Stefan Carsten und die Frage: „Wie werden Menschen in Städten der Zukunft zusammenleben?“
„Wenn Sie sich Bilder von Städten aus den 60er, 70er, ja sogar bis in die Anfang 2000er Jahre anschauen, dann sehen Sie, worum es bis vor sehr Kurzem immer noch ging“, erklärt Stefan Carsten in seinen Vorträgen. „Wir leben in Städten, die überhaupt nicht für unsere Zukunft gemacht sind. Wir leben noch immer in Städten, die auf der industriellen Basis gemacht sind, monofunktionale Strukturen, leben hier, arbeiten dort, einkaufen an wieder einem anderen Ort.“
Er möchte Methoden entwickeln, „wir wie uns heute im Hier und Jetzt für eine Zukunft vorbereiten können, die besser ist als das Heute.“ Stefan Carsten erforscht die Ideen, Chancen und Risiken, die berücksichtigt werden müssen. Dabei geht es um das Wissen, um die Veränderung, um Inspiration, und um das Mobilisieren von Menschen und den Unternehmen.
Stadt, Mobilität, Raum
Stefan Carsten erklärt, dass er sich dabei an drei Parametern entlang hangelt. Erstens gibt es die Stadt, zweitens die Mobilität und drittens den Raum, das verbindende Element zwischen beiden. Er will wissen, wie sich Stadt und Mobilität verändern und was das mit dem Raum macht. Er hält sich selbst für privilegiert, weil er als Zukunftsforscher einen Wissensvorsprung in Bezug auf gute Lebensbedingungen hat. Dieses Wissen will er weitergeben, darum hält er unermüdlich Vorträge und Keynotes. Denn er ist überzeugt, dass Zukunft vor der eigenen Haustür beginnt. „Was ich nicht genau vor mir habe, nutze ich nicht. Wenn mein Auto vor der Tür steht, steige ich in mein Auto. Steht da ein Fahrrad oder ein Scooter, setze ich mich auf mein Rad oder steige auf den Scooter. So einfach sind wir Menschen gestrickt.”
„The old urban crisis was one of decline… now we have a new urban crisis, which is in many ways a crisis of success”, sagte Richard Florida 2019. Dieser Satz besagt nichts anderes, als dass die Urbanisierung der letzten 20 Jahre vorbei ist. Eine Stadt findet sich heute in der Region wieder.“
Er erzählt, wie frappierend es für ihn als Zukunftsforscher ist, Deutschland zu verlassen und zu sehen, wie Mobilität und Stadt in Skandinavien aussehen, wie in Frankreich, wie in der Schweiz. Stefan Carsten begann Ende der 90er Jahre, sich mit dem Thema Stadt zu befassen. Schon damals lautete die Frage: Wie wird heute eine Stadt konzipiert, wie wird eine Stadt gebaut? „Es gab seitdem verschiedene Moden. Zuerst war es die nachhaltige Stadt, die man bauen wollte. Danach entwickelte sich die Idee der resilienten Stadt. Nichts davon hat wirklich eingeschlagen. Aktuell ist es die Smart City, die die Zukunft bestimmen soll. Doch auch da kommt bis heute kaum eine Stadt heran.“
Von der privaten zur öffentlichen Stadt: Die 15 Minuten Stadt
Die Idee der „15 Minuten Stadt“ ist, dass alle urbanen Funktionen – der urbane Raum, der Kulturraum, der Bildungsraum usw. innerhalb von 15 Minuten mit dem Fahrrad zu erreichen sind. „Wie wir in Städten leben, hat einen extrem großen Einfluss auf Mobilität. Mobilität wird vor der eigenen Haustür gemacht, Mobilität findet direkt im unmittelbaren Lebensumfeld statt. Wir müssen fragen, welche Akteure dazu beitragen. Ich und wir alle sind täglich damit konfrontiert. Wenn wir diese Themen verstehen, können wir zu einer besseren Gesellschaftsform finden.“
„Wir bauen für die Zukunft, für die nächsten Generationen.“
„Wir brauchen eine Raumwende. Ein neues Verständnis über die uns umgebenden Räume“, so Stefan Carsten. „Von der Industrie- zur wissensbasierten Stadt. Dieser Pfad entwickelt sich bereits seit 15 – 20 Jahren. Es geht bereits voran, immer mehr werden Plätze mit urbaner Aufenthaltsqualität geschaffen, Plätze, an denen der Einzelhandel wieder florieren kann. Beispiele dafür sind Städte wie Barcelona oder Kopenhagen mit dem Projekt „Nordhavn“.
In Berlin soll ein Fahrradweg unter der U-Bahn Linie 1 entstehen, ein Raum, der Räume mit anderen Räumen verbindet und neue Räume schafft. Die Planung von Städten, Mobilität und Raum wird Investitionsentscheidungen beeinflussen. Gelebte Urbanität bedeutet nicht nur höher, sondern ein sowohl als auch. Stefan Carsten träumt von Räumen, die gesund und aktiv, inklusiv und abwechslungsreich, mobil und postfossil und flexibel sind. Es braucht ein öffentliches Wir und Ich-Räume.