Scheidender Sprecher des britischen Unterhauses John Bercow kommt zum Alpensymposium 2020

21. Dezember 2019 – Katharina Schlangenotto

Das waren emotionale Tage für den scheidenden Sprecher des britischen Unterhauses John Bercow. Seit 2009 war „Mr. Speaker“ Präsident des britischen Unterhauses. Doch die letzte Periode seiner Amtszeit empfand er unter den Vorboten des Brexit als zunehmend unerträglich. In einem Abschiedsinterview mit dem Sender CNN sagte er, dass „die Brexit-Debatten die schlimmsten Diskussionen waren, die er in 22 Jahren als Abgeordneter miterleben musste. Viele der Beleidigungen, die gegen Abgeordnete in Debatten geäußert wurden, seien „niveaulos und vulgär“ gewesen.“

Viele Briten hielten Gewalt in der Brexit-Diskussion für akzeptabel, sagte er außerdem in einem Interview mit dem „Spiegel“. John Bercow schockiert diese Ansicht seiner Landsmänner und –frauen.

Er habe sich ein ums andere Mal gefragt, was eigentlich los sei in seinem Land, indem Menschen begännen, ungestüm aufeinander loszugehen. Die Szenen, die sich im britischen Parlament abspielten, haben wir in den Nachrichten mitverfolgen können. Und in der Tat, es wirkte zum Teil wie eine Komödie, bei der einem das Lachen allerdings im Hals stecken blieb.

Am 31. Oktober 2019, dem Tag, an dem Großbritannien eigentlich die EU verlassen wollte, hat er sein Amt an den Nagel gehängt. Dass das Vereinigte Königreich nun nach Verhandlungen am 28. Oktober genau ein Jahr später aus der EU austreten möchte, ist dabei unwichtig. John Bercow hat seinen Punkt gemacht. Er ist raus. Und er wird auf dem Alpensymposium 2020 als „Mr. Speaker“ auf neue Weise Gehör finden.

In seiner Heimat gehört er zu denen, die man entweder liebt oder hasst. Kritiker warfen ihm wieder vor, parteiisch im Umgang mit dem Brexit zu sein. Es war jedenfalls kein Geheimnis, dass er einen Verbleib von Großbritannien in der EU befürwortete. „Ich habe meine privaten Überzeugungen, aber im Parlament bin ich unparteiisch“, sagte er dazu einmal im Interview mit der Tagezeitung „Die Welt“ und wies die Anschuldigungen damit zurück.

„Die Welt“ schrieb über ihn etwas, das John Bercow und seinen Charakter gut beschreibt: „Bercow ist bereits der 157. „Speaker of the House of Commons“.

Mehrere seiner Vorgänger überlebten den Posten nicht: Sie wurden geköpft. Heute ist es eher der exzentrische Bercow, vor dem die Abgeordneten zittern.“ John Bercow, ein Mann mit Überzeugungen und Prinzipien, von denen er auch unter Druck nicht abweichen mag. So lehnte er zum Beispiel auch deutlich ab, den US Präsidenten Donald Trump im Parlament zu empfangen.

Seine Parteimitgliedschaft, er war ursprünglich ein Konservativer und Mitglied bei den Tories, ruhte, seitdem er 2009 „Speaker“ des Unterhauses wurde. Tatsächlich konnte er sich immer weniger mit den Inhalten und Verhaltensweisen seiner Partei identifizieren. Er sah und sieht sich heute eher in der Pflicht, wieder Ordnung herzustellen in einem Land, in dem sich Gewalt als eine akzeptable Reaktion auf anders Denkende breit macht. John Bercow positioniert sich offen dagegen.

John Bercow wird ohne Zweifel ein riesiger Gewinn für das Alpensymposium 2020 sein. Wir freuen uns auf ihn! Und das, was er zu sagen hat.

John Bercow

157. Sprecher des House of Commons (2009-2019), ehemaliger Abgeordneter (MP) für Buckingham